Hintergrund der Gründung:
2001 war bei einem Anschlag in der Probsteigasse die Tochter einer deutsch-iranischen Familie schwer verletzt worden. 2004 explodierte vor einem Friseursalon in der Keupstraße eine Nagelbombe und verletzte zahlreiche Menschen, einige davon schwer. Seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 war klar, was die Betroffenen, die Angehörigen und Überlebenden der NSU-Mordserie von Anfang an gesagt haben: Die Täter waren Nazis und das Motiv Rassismus. Die Betroffenen standen mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer jahrelang allein. Nicht einmal antirassistische Gruppen hatten es geschafft, ihre Deutung aufzugreifen und die rassistischen Ermittlungen der Polizei und die mediale Hetze zu kritisieren und das, obwohl die Familien Simsek, Yozgat und Kubasik bereits 2006 in Kassel und Dortmund gemeinsam mit Tausenden aus der türkisch-kurdischen Community auf die Straßen gegangen waren und Aufklärung und „Kein 10. Opfer“ gefordert hatten.
Ziele und Aufgaben:
Um dieses Schweigen zu durchbrechen und in einen Dialog mit Betroffenen zu treten und Vertrauen aufzubauen, organisierte die Initiative “Dostuk Sineması“ 2013 eine antirassistische Film- und Veranstaltungsreihe in verschiedenen Lokalen, Teestuben und Restaurants auf der Keupstraße. Dabei berichteten Betroffene erstmals öffentlich, wie sie den Nagelbombenanschlag 2004 und die anschließende Kriminalisierung und Stigmatisierung erlebt hatten und wie der Angriff der Naziterrorist*innen seine ganze Zerstörungsgewalt erst durch die „zweite Bombe“, die Polizeiermittlungen und die mediale Hetze, entfalten konnte. 2014 gründeten einige von ihnen gemeinsam mit solidarischen Menschen die Initiative „Keupstraße ist überall“, um sich gemeinsam auf den bevorstehenden NSU-Prozess in München vorzubereiten und dort gemeinsam aufzutreten. Die bundesweite Mobilisierung, der Tag X, im Januar 2015 in München fand unter großer Beteiligung von Betroffenen und Angehörigen statt. Sie konnten durch die erfahrene Solidarität die Kraft finden, ihre Perspektive in den Prozess einzubringen und offensiver aufzutreten. Diese wichtige Erfahrung hat die Grundlage für eine langfristige solidarische Zusammenarbeit und Vernetzung mit Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt geschaffen.
Einige aus der Initiative „Keupstraße ist überall“ haben gemeinsam mit Betroffenen des NSU-Terrors, Einzelpersonen und Initiativen aus ganz Deutschland, das Tribunal NSU-Komplex auflösen initiiert, das im Mai 2017 unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit im Schauspiel Köln stattfand. Dabei stand das Wissen der Betroffenen im Mittelpunkt. Sie haben den geschützten Raum des Tribunals genutzt, um ihre Geschichten zu erzählen, ihre Analysen zu formulieren, ihre Forderungen zu stellen und ihren Wünschen, ihrer Wut, ihrer Trauer und ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen und die Verantwortlichen im NSU-Komplex anzuklagen, auf die Muster des strukturellen Rassismus hinzuweisen, ihre Rechte zu verteidigen und damit die Gesellschaft der Vielen zu stärken.
Seit dem Tribunal setzen wir uns als Initiative Herkesin Meydani dafür ein, das antirassistische Mahnmal zu realisieren, das in unmittelbarer Nähe des Ortes, wo 2004 die Nagelbombe detonierte, dauerhaft an die Verbrechen des NSU und die Kämpfe gegen Rassismus und Antisemitismus erinnern und einen Ort der Begegnung schafften soll. Die Realisierung wurde von der Stadtverwaltung und den ehemaligen Investoren auf dem Grundstück ignoriert und verschleppt. Ende 2020 wechselte das Gelände die Eigentümer und gehört seitdem dem Immobilieninvestor Gentes. Nach zwei Jahren enormen aktivistischen Drucks wurde dann im November 2021 endlich ein Ratsbeschluss gefällt, der einiges erreicht hat, zum Beispiel, dass in der Probsteigasse endlich eine würdige Gedenktafel existiert, mit einem aussagekräftigen Text und Aussagen der Betroffenen.
Der neue Investor des Geländes an der Keupstraße hat sich 2021 verpflichtet, der Stadt unentgeltlich den Platz für das Mahnmal zur Verfügung zu stellen. Doch mit dem Deal hat die Stadt alle Verantwortung für die baldige Realisierung des Mahnmals aus der Hand gegeben, denn die Fläche dient so lange als Baustellenfläche bis der Investor die Gebäude fertig gestellt hat. Wann es so weit ist und das Mahnmal dort errichtet werden kann, ist völlig offen.
Im April 2023 haben wir an der Ecke Keupstraße/Genovevastraße den „Raum für alle” eröffnet und damit einen Ort für Begegnung, Erinnerung, Kunst und Kultur geschaffen, an dem Menschen aus der Straße, dem Viertel und der Stadt zusammenkommen. Und gemeinsam mit Betroffenen und dem Künstler Ulf Aminde entstehen bereits die Filme für das Virtual Reality Archiv des Mahnmals. Neben der Arbeit für den Gedenkort in Köln vernetzten wir uns bundesweit gemeinsam mit anderen Betroffenen, Angehörigen und Hinterbliebenen von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und solidarischen Initiativen.
Wir arbeiten ehrenamtlich und finanzieren uns überwiegend durch solidarische Spenden, die immer willkommen sind. Der Verein Lückenlos e.V. ist gemeinnützig.