Hamza Kenan
Kurtović

19. February 2020

Hanau

Leben des Opfers

Hamza Kenan Kurtović ist am 04.04.1997 als Sohn von Dijana und Armin Kurtović in Hanau geboren und aufgewachsen. Hamza ist mit seiner Schwester Ajla und seinen zwei Brüdern Aziz und Karim groß geworden.

Im Juni 2019 hat Hamza seine Berufsausbildung als Fachlagerist abgeschlossen und befand sich am Anfang seines Berufslebens. Er war mit seinem Arbeitsplatz überglücklich. Seine Eltern erzählte er, dass er bis zu seiner Rente dort arbeiten möchte.

Hamza war ein wundervoller, sympathischer, liebevoller und immer gut gelaunter Mensch. Verantwortungsbewusst, hilfsbereit und zuverlässig waren seine Kerneigenschaften. Das Wohlergehen anderer Menschen war oberste Priorität.

Zum Beispiel verlieh er seinen Nachbarn sein Auto, als dessen defekt war, obwohl er es selbst benötigt hätte, um zur Arbeit zu fahren. Es lag ihm sehr am Herzen, dass die Nachbarn sich keine Umstände machen müssen. Daher organisierte er für sich Fahrgemeinschaften.

Hamza hat sich immer für Menschen in Not eingesetzt. Sein erstes Azubigehalt spendete er. Mit seinem großen Herz hielt er alle zusammen und bei Laune. Für Freunde und Familie war er der Fels in der Brandung. Er liebte Treffen und Gespräche mit seinen Freunden und besaß eine Vorliebe für Autos. Seine Flugangst überwand er und plante zeitnah weitere Reisen mit Freunden, auch Langstreckenflüge.

Doch seine letzte Reise hatte er sich sicherlich anders vorgestellt. Diese ist er nicht alleine angetreten, sondern ging mit einigen seiner engsten Freunde von uns.

Formen des Gedenkens

Neben dem ersten Jahrestag des Anschlags, an dem Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen in Hanau und bundesweit („Hanau ist überall“) stattfanden, wurde durch die Angehörigen in der Initiative 19. Februar Hanau ein monatliches Gedenken an den beiden Tatorten etabliert. Außerdem wurde an beiden Tatorten eine Gedenkstelle mit allen Bildern der Opfer installiert. Später brachte die Stadt Hanau ebenfalls an beiden Tatorten Gedenktafeln an. Am Tag der Zivilcourage 2020 wurde außerdem ein Kreuz in Erinnerung Vili Viorel Păun aufgestellt, ein Jahr später bekam Vili die Hessische Medaille für Zivilcourage des Landes Hessen verliehen. Vili Viorel Păun hatte in der Tatnacht versucht, den Täter zu stoppen, und hat das mit seinem Leben bezahlt. In Dietzenbach wurde nach langen Kämpfen der Familie Gürbüz außerdem eine Gedenkstele für Sedat Gürbüz errichtet. Eine Gedenktafel in Erlensee erinnert außerdem an Kaloyan Velkov, der dort lebte. 2022 wurde zu Ehren von Hamza der Hamza-Kurtovic-Award in Hanau an 14 Preisträger*innen vergeben.

“Erinnern heißt verändern”

Die Initiative 19. Februar Hanau arbeitete zusammen mit Forensic Architecture/Forensis an der zivilgesellschaftlichen Aufklärung des Falles und initiierte gemeinsam mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh die Ausstellung “Three Doors”, die mittlerweile im Kunstverein Frankfurt, im HKW Berlin, im Depo Istanbul und an anderen Orten zu sehen war. Auch das Theaterstück “And now Hanau”, das in Zusammenarbeit mit dem Theatermacher Tuğsal Moğul entstand, dient der Gedenkarbeit an die Opfer des Anschlags. 2024 fand außerdem erstmals der “Say their names Cup” statt, ein Benefizspiel der U19 Mannschaften von Eintracht Frankfurt und dem FC. St. Pauli.

Was ist geschehen

Diese Gedenkchronik thematisiert rechte, rassistische und antisemitische Gewalt, einschließlich spezifischer Vorfälle, Hintergründe und Folgen. Die Inhalte können belastende Beschreibungen von Gewalt, Diskriminierung und Leid enthalten.

Im folgenden ausklappbaren Abschnitt “Beschreibung der Tat” werden konkrete Gewalttaten geschildert. Wir möchten Betroffene und Leser*innen daher darauf hinweisen, dass die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten retraumatisierend wirken kann. Bitte prüfen Sie vor dem Zugriff auf die Inhalte, ob Sie sich mental und emotional in der Lage fühlen, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und tun sie dies ggf. nicht allein.

Bei dem Terroranschlag am 19. Februar 2020 in Hanau wurden an zwei Orten neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.

Am ersten Tatort in der Innenstadt am Heumarkt ermordete der Täter Kaloyan Velkov in der Bar La Votre, wo Kaloyan als Barkeeper gearbeitet hat. Dann erschoss er Fatih Saraçoğlu auf der Straße, der einen Freund dort hingebracht hat. Sedat Gürbüz wurde in seiner Bar Midnight ermordet.

Vili Viorel Păun fuhr auf der Suche nach einem Parkplatz in die Straße, der Täter feuerte mehrere Schüsse auf sein Auto ab. Vili verfolgte den Täter, hinderte ihn zunächst daran, auszuparken, verfolgte ihn nach Kesselstadt. Auf dem Weg versuchte er mehrmals vergeblich, den Notruf 110 zu erreichen. Er wurde auf dem Parkplatz am Kurt-Schumacher-Platz in Kesselstadt in seinem Auto erschossen.

Im Kiosk 24/7 ermordete der Täter daraufhin Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin und Ferhat Unvar. In der danebenliegenden Arena-Bar erschoss er Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. An den Tatorten gab es zahlreiche Überlebende, die teilweise explizit bedroht wurden oder auch schwerverletzt überlebt haben.

Der Anschlag dauerte insgesamt etwas mehr als 5 Minuten. Der Täter war polizeilich und staatsanwaltlich bekannt, er hatte trotz Selbstanzeigen eine legale Waffenerlaubnis. Tage zuvor hatte er durch Graffiti auf seine Homepage aufmerksam gemacht, auf der sein rassistisches Manifest einsehbar war. Er ermordete später seine Mutter, bevor er sich selbst tötete. Sein Vater, von dem bekannt ist, dass er die rechtsextreme und rassistische Weltanschauung seines Sohnes teilte, war der einzige Überlebende im Haus. Er behauptete, weder etwas gesehen noch gehört zu haben. Der Polizei war die Adresse des Täters bereits kurz nach dem Anschlag bekannt, trotzdem betrat sie das Haus erst viereinhalb Stunden später.