Formen des Gedenkens
Enver Şimşek steht symbolisch für den Schmerz, den Rassismus und rechtsextreme Gewalt verursachen, aber auch für die Notwendigkeit von Gedenken, Solidarität und gesellschaftlichem Engagement gegen Diskriminierung. Seine Familie kämpft bis heute für Gerechtigkeit und setzt sich für Aufklärung und Erinnerungsarbeit ein, um sicherzustellen, dass solche Taten nicht vergessen und wiederholt werden.
Seine Tochter Semiya Şimşek ist seit ihrer Rede auf der Gedenkfeier für die NSU-Opfer Anfang 2012 im Konzerthaus Berlin bundesweit bekannt geworden und gilt seitdem als „Gesicht der Opferfamilien“. In ihrem 2013 veröffentlichten Buch „Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater“ teilt sie ihre bewegende Geschichte, klärt über die Hintergründe der rassistischen Fehlermittlungen und traumatischen Folgen für die Opferfamilien auf und reflektiert ihr ambivalentes Verhältnis zu Deutschland. Auch in öffentlichen Veranstaltungen spricht sie über ihre Erfahrungen: Sie setzt sich gemeinsam mit anderen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen das Vergessen sowie die Bagatellisierung des NSU-Terrors und für den Kampf um Gerechtigkeit ein.
Darüber hinaus haben zahlreiche Initiativen und einige deutsche Städte Gedenk- und Erinnerungsorte geschaffen, um das Andenken an Enver Şimşek lebendig zu halten.
Ein Jahr nach der Enttarnung des NSU beschlossen die Oberbürgermeister der Städte Kassel, Nürnberg, München, Rostock, Dortmund, Heilbronn und Hamburg, in denen die Morde begangen wurden, Gedenktafeln zu errichten.
Am 21. März 2013, dem „Internationalen Tag gegen Rassismus“, wurde eine Gedenkstele in Nürnberg eingeweiht, ein hoher freistehender Grabstein, welcher an alle NSU-Opfer erinnern soll. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe der „Straße der Menschenrechte“ und wurde von der Stadt Nürnberg in enger Zusammenarbeit mit den Angehörigen entwickelt. Neben der Stele gehören vier Ginkgo-Bäume zum Mahnmal, von denen drei für die Nürnberger Opfer der NSU-Terrorzelle stehen und der vierte für alle anderen Opfer rechtsextremer Gewalt.
Im September 2014 wurde am Tatort in Nürnberg eine Gedenktafel für Enver Şimşek angebracht. Diese wurde später von Unbekannten gestohlen, woraufhin die Gruppe “Das Schweigen durchbrechen” ein Schild mit Şimşeks Bild installierte.
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz in Zwickau pflanzte am 8. September 2019 eine Europäische Eiche zum Gedenken an Enver Şimşek, welche jedoch wenige Wochen später von Unbekannten gefällt wurde. Daraufhin wurden am 3. November 2019 zehn neue Gedenkbäume gepflanzt und Gedenktafeln installiert. Die Einweihung stieß jedoch auf Kritik wegen eines Schreibfehlers im Namen Şimşek und der fehlenden Einladung von Angehörigen und Überlebenden.
Darüber hinaus wurden seit 2020 mehrere symbolträchtige Orte in Enver-Şimşek-Platz umbenannt, u.a. ein Platz in Jena-Winzerla, wo die Täter aufgewachsen sind sowie die Jenaer Nahverkehr-Haltestelle Damaschkeweg. Der Tatort Liegnitzer Straße in Nürnberg, an dem Enver ermordet wurde, heißt seit dem 13. September 2021 ebenfalls Enver-Şimşek-Platz. Die anliegenden Gemeinden Altenfurt, Moorenbrunn, Langwasser und Fischbach haben sich zusammengetan, um das Verbrechen, das sich in ihrem direkten Lebensumfeld ereignet hat, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Im Juni 2024 wurde zudem in unmittelbarer Nähe des Thüringer Landtags der Erinnerungsort “Schattenwurf” eingeweiht, gestaltet vom Stuttgarter Künstlerduo Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper. Mit dem Erinnerungsort für die Opfer des NSU bekennt sich der Freistaat Thüringen zu seiner besonderen Verantwortung für die beispiellose Mord- und Anschlagsserie.
2020 schlossen sich Theater und Institutionen aus 15 Städten zusammen, um gemeinsam das interdisziplinäre Theaterprojekt Kein Schlussstrich! zu realisieren – mit dem Anliegen, die Taten und Hintergründe des NSU künstlerisch zu thematisieren. Das bundesweite Theaterprojekt erinnert an die NSU-Opfer und rückt durch Inszenierungen, Ausstellungen, Konzerte, musikalische Interventionen im öffentlichen Raum, Lesungen, Diskussionen, Workshops u.v.m. die Perspektiven der Familien der Opfer und (post-)migrantischen Communities in den Mittelpunkt.