Hintergrund
Die tagelangen rassistischen Angriffe auf das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen 1992 richteten sich gegen Asylsuchende, die in der dortigen Erstaufnahmestelle untergebracht waren und gegen vietnamesische Rostocker*innen, die im Nachbaraufgang lebten. Während der Angriffe wurden sie von der Polizei nur unzureichend geschützt. Mindestens zweimal mussten sie Betroffene nach Bränden selbst aus dem Haus retten.
Bis heute ist unklar, wie viele Menschen das Pogrom in der Erstaufnahmestelle überlebten oder aus welchen Ländern sie kamen. Die einzigen heute bekannten Betroffenen sind Rom*nja aus dem Süden Rumäniens. Sie kamen Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland, um der antiziganistischen Diskriminierung in Rumänien zu entgehen und ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.
Die angegriffenen vietnamesischen Rostocker*innen waren in den 1980er Jahren als sogenannte „Vertragsarbeiter“ nach Deutschland gekommen. Die meisten von ihnen lebten 1992 bereits mehrere Jahre im Sonnenblumenhaus. Während des Pogroms verteidigten sie sich selbst und organisierten sich bereits im Oktober 1992 im Verein “Diên Hồng – Gemeinsam unter einem Dach”.
Die Betroffenen des Pogroms erhielten von staatlicher Seite weder Angebote für Entschädigungen oder Schadensersatz noch für Unterstützung in Form von Beratung, psychologischer Betreuung oder individueller Hilfe. Vermutlich verließen die meisten der betroffenen Asylsuchenden Mecklenburg-Vorpommern wieder, um der andauernden Gewalt und drohenden Abschiebungen zu entgehen oder wurden abgeschoben. Erst 1997 wurde das Bleiberecht der ehemaligen Vertragsarbeitnehmer*innen aus Vietnam endgültig politisch geregelt. Zehn Jahre nach den Ereignissen entschuldigte sich der damalige Rostocker Oberbürgermeister, Arno Pöker, erstmals offiziell bei den vietnamesischen Betroffenen. 2022 nahm erstmals eine Vertreterin der betroffenen Rom*nja, Izabela Tiberiade, an einer offiziellen Gedenkveranstaltung teil.