Leben des Opfers
„Als Sedat auf die Welt kam, kam die Sonne raus“, sagt seine Mutter Emis Gürbüz. Seine Eltern waren am Tag seiner Geburt am 16. Mai 1990 überglücklich. Seine Großmutter platzte vor Stolz über ihr erstes Enkelkind. Mit eineinhalb Jahren sprach Sedat schon in ganzen Sätzen und verzückte alle um sich herum mit seiner Intelligenz und seinem Charme. Seine Mutter las ihm sowohl deutsche, als auch türkische Märchen vor. Sedat, sonst voller Energie, konnte für diese Geschichten stundenlang still sitzen.
Seine Mutter erzählte: „Im Kindergarten nannten ihn alle erst mal Sidat. Er hat das im ersten Monat so angenommen. Als ich ihn zu Hause Sedat nannte, sagte er zu mir: ‚Mama, ich heiße nicht Sedat. Ich heiße Siiiiiidat.‘“
Bis zu seinem 18. Lebensjahr spielte Sedat beim FC Dietzenbach Fußball. Oft ging er zu den Spielen der Frankfurter Eintracht, er mochte die Atmosphäre im Fußballstadion.
Seit dem Tag seiner Geburt liebte Sedat die Sonne und die Wärme. Sobald es die Temperaturen irgendwie erlaubten, verließ er das Haus in T-Shirt und kurzer Hose, jedoch nicht, ohne sein Outfit sorgfältig auszuwählen.
Schon früh stand für ihn fest, dass er sich eines Tages selbstständig machen wollte. Im Jahr 2017 stieg er als Teilhaber in die Shisha-Bar Midnight ein und erfüllte sich einen Traum. Das Midnight wurde zu seinem zweiten Zuhause. Sedat war fast immer dort, dank ihm herrschte stets eine familiäre, friedliche Stimmung. Jeder war hier willkommen, ob gut gelaunt oder auf der Suche nach Ablenkung vom Alltagsstress. Konnte ein Gast mal nicht bezahlen, hat Sedat ihm trotzdem ausgeschenkt. Vertrauen war ihm wichtig. Um seine Mitarbeiter hat sich Sedat stets gesorgt. Einmal hat ihn ein Angestellter nach Tipps für ein Vorstellungsgespräch bei einem Unternehmen gefragt. Sedat half bereitwillig, schließlich wollte der Mitarbeiter noch mehr aus sich machen, vorwärtskommen. Er selbst war doch auch immer dankbar gegenüber all seinen Unterstützern gewesen.
Eine davon war immer seine Großmutter. Sie rief er jeden Tag an, um zu hören, wie es ihr geht und ob sie etwas braucht. Sedat war ein beliebter Mensch. Wenn er den Raum betrat, ging die Sonne auf. Sedat wurde in Langen geboren, aufgewachsen ist er aber mit seinen Eltern und seinem Bruder in Dietzenbach. Sedats Mutter lebt bereits seit 50 Jahren in Dietzenbach, sein Vater seit mehr als 30 Jahren. Sedat mochte die Farben Weiß und Blau. Am 16. Mai 2020 wäre er 30 Jahre alt geworden. Seine Familie hat an diesem Tag einen blauen Kuchen angeschnitten. Es war der erste Geburtstag ohne Sedat, alle waren da, nur er fehlte.
Seinen Herzenswunsch, eine eigene Familie zu gründen, Kinder zu haben, konnte Sedat sich nicht erfüllen, dabei liebte er Kinder so sehr. Er war ein gutherziger Mensch. Er wurde von allen sehr geschätzt. Er war derjenige, der die Menschen liebte – egal welcher Herkunft, Glauben, Hautfarbe. Er liebte das Leben in all seinen Höhen und Tiefen. Er war stets hilfsbereit, ob Alt oder Jung. Wenn der Mörder Sedat gekannt hätte – er hätte mein Kind niemals ermorden können: ‚Wo auch immer er hinging, er strahlte wie die Sonne.‘“
Verfasst von Emiş Gürbüz, Mutter von Sedat