Mercedes
Kierpacz

19. Şubat 2020

Hanau

Leben des Opfers

Mercedes.

Die Barmherzige.

Mercedes.

Sie verlieh ihrem Namen einen tiefen Ausdruck.

Als Mutter, die für ihre zwei Kinder eine Zukunft voller Möglichkeiten schaffen wollte, fürsorglich und auch mal streng, wenn es um die Schule ging.

Als Freundin, die immer ein offenes Ohr hatte, wenn jemand etwas bekümmerte, die einfach immer ehrlich und hilfsbereit für einen da war.

Als älteste Schwester, bei der man stets um Rat fragen konnte, bei der man sich geborgen fühlte.

Als erste Tochter, die regelmäßig alle eingeladen und bekocht hat. Die das Zentrum ihrer Familie war und immer alles zusammengehalten hat.

Als Romni, die den Menschen um sie herum mit Respekt und Herzlichkeit entgegen trat. Stark und verantwortungsvoll.

Formen des Gedenkens

Neben dem ersten Jahrestag des Anschlags, an dem Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen in Hanau und bundesweit („Hanau ist überall“) stattfanden, wurde durch die Angehörigen in der Initiative 19. Februar Hanau ein monatliches Gedenken an den beiden Tatorten etabliert. Außerdem wurde an beiden Tatorten eine Gedenkstelle mit allen Bildern der Opfer installiert. Später brachte die Stadt Hanau ebenfalls an beiden Tatorten Gedenktafeln an. Am Tag der Zivilcourage 2020 wurde außerdem ein Kreuz in Erinnerung Vili Viorel Păun aufgestellt, ein Jahr später bekam Vili die Hessische Medaille für Zivilcourage des Landes Hessen verliehen. Vili Viorel Păun hatte in der Tatnacht versucht, den Täter zu stoppen, und hat das mit seinem Leben bezahlt. In Dietzenbach wurde nach langen Kämpfen der Familie Gürbüz außerdem eine Gedenkstelle für Sedat Gürbüz errichtet. Eine Gedenktafel in Erlensee erinnert außerdem an Kaloyan Velkov, der dort lebte. 2022 wurde zu Ehren von Hamza der Hamza-Kurtovic-Award in Hanau an 14 Preisträger*innen vergeben.

“Erinnern heißt verändern”

Die Initiative 19. Februar Hanau arbeitete zusammen mit Forensic Architecture/Forensis an der zivilgesellschaftlichen Aufklärung des Falles und initiierte gemeinsam mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh die Ausstellung “Three Doors”, die mittlerweile im Kunstverein Frankfurt, im HKW Berlin, im Depo Istanbul und an anderen Orten zu sehen war. Auch das Theaterstück “And now Hanau”, das in Zusammenarbeit mit dem Theatermacher Tuğsal Moğul entstand, dient der Gedenkarbeit an die Opfer des Anschlags. 2024 fand außerdem erstmals der “Say their names Cup” statt, ein Benefizspiel der U19 Mannschaften von Eintracht Frankfurt und dem FC. St. Pauli.

Was ist geschehen

Diese Gedenkchronik thematisiert rechte, rassistische und antisemitische Gewalt, einschließlich spezifischer Vorfälle, Hintergründe und Folgen. Die Inhalte können belastende Beschreibungen von Gewalt, Diskriminierung und Leid enthalten.

Im folgenden ausklappbaren Abschnitt “Beschreibung der Tat” werden konkrete Gewalttaten geschildert. Wir möchten Betroffene und Leser*innen daher darauf hinweisen, dass die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten retraumatisierend wirken kann. Bitte prüfen Sie vor dem Zugriff auf die Inhalte, ob Sie sich mental und emotional in der Lage fühlen, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und tun sie dies ggf. nicht allein.

Bei dem Terroranschlag am 19. Februar 2020 in Hanau wurden an zwei Orten neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.

Am ersten Tatort in der Innenstadt am Heumarkt ermordete der Täter Kaloyan Velkov in der Bar La Votre, wo Kaloyan als Barkeeper gearbeitet hat. Dann erschoss er Fatih Saraçoğlu auf der Straße, der einen Freund dort hingebracht hat. Sedat Gürbüz wurde in seiner Bar Midnight ermordet.

Vili Viorel Păun fuhr auf der Suche nach einem Parkplatz in die Straße, der Täter feuerte mehrere Schüsse auf sein Auto ab. Vili verfolgte den Täter, hinderte ihn zunächst daran, auszuparken, verfolgte ihn nach Kesselstadt. Auf dem Weg versuchte er mehrmals vergeblich, den Notruf 110 zu erreichen. Er wurde auf dem Parkplatz am Kurt-Schumacher-Platz in Kesselstadt in seinem Auto erschossen.

Im Kiosk 24/7 ermordete der Täter daraufhin Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin und Ferhat Unvar. In der danebenliegenden Arena-Bar erschoss er Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. An den Tatorten gab es zahlreiche Überlebende, die teilweise explizit bedroht wurden oder auch schwerverletzt überlebt haben.

Der Anschlag dauerte insgesamt etwas mehr als 5 Minuten. Der Täter war polizeilich und staatsanwaltlich bekannt, er hatte trotz Selbstanzeigen eine legale Waffenerlaubnis. Tage zuvor hatte er durch Graffiti auf seine Homepage aufmerksam gemacht, auf der sein rassistisches Manifest einsehbar war. Er ermordete später seine Mutter, bevor er sich selbst tötete. Sein Vater, von dem bekannt ist, dass er die rechtsextreme und rassistische Weltanschauung seines Sohnes teilte, war der einzige Überlebende im Haus. Er behauptete, weder etwas gesehen noch gehört zu haben. Der Polizei war die Adresse des Täters bereits kurz nach dem Anschlag bekannt, trotzdem betrat sie das Haus erst viereinhalb Stunden später.