Mehmet
Turgut

25. Februar 2004

Rostock

Leben von Mehmet Turgut

Mehmet Turgut wurde am 22. Mai 1979 in Kayalık Köyü in der Provinz Elâzığ, rund 300 Kilometer nördlich der türkisch-syrischen Grenze, geboren. In dem kleinen kurdischen Dorf lebte er mit seinen vier Geschwistern und seinen Eltern, die als Landwirt*innen tätig waren. Mit 15 Jahren reiste er das erste Mal allein nach Deutschland, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

Er träumte von einem unabhängigen Leben, wollte seine Eltern in der Türkei unterstützen und eine eigene Familie gründen. Mehmet Turgut, der von seiner Familie Memo genannt wurde, wird als sehr freundliche, friedvolle und ehrgeizige Person beschrieben, die immer ein Lächeln auf dem Gesicht hatte. Um seinen Traum zu erfüllen, nahm er verschiedene Jobs in Deutschland an, arbeitete in der Gastronomie und in der Landwirtschaft.

Anfang 2004 meldete er sich bei einem alten Freund seines Vaters, der in Rostock lebte und in Toitenwinkel einen Imbiss betrieb. Bei ihm konnte Mehmet Turgut unterkommen und aushilfsweise mitarbeiten. Kurz nachdem er den Imbiss am Morgen des 25.02.2004 aufgeschlossen hatte – es war erst sein zehnter Tag in Rostock – wurde Mehmet Turgut als 5. Opfer des rechtsterroristischen NSU ermordet und brutal aus dem Leben gerissen.

Formen des Gedenkens

Wenige Tage nach der Selbstenttarnung des NSU und dem offiziellen Bekanntwerden, dass Mehmet Turgut von Neonazis ermordet wurde, fanden im November 2011 die ersten Gedenkkundgebungen in Rostock statt. Seit 2012 organisiert die Initiative „Mord verjährt nicht“ jährlich am 25. Februar ein gemeinsames Erinnern am Tatort, regelmäßig im Beisein von Familienangehörigen.

Im Februar 2014 fand die offizielle Einweihung eines Gedenkortes statt. Zwei Bänke aus Beton, die sich versetzt gegenüberstehen, erinnern am Tatort an Mehmet Turgut. Seitdem finden die Gedenkveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Hansestadt Rostock statt. Die angebrachte Inschrift des Denkmals wird von den Angehörigen und der Initiative allerdings kritisiert, da sie weder Rassismus als Tatmotiv erwähnt noch weitere Todesopfer nennt. Auch die Forderungen der Familie Turgut nach einem Foto des Ermordeten und einer Straßenumbenennung wurden bislang nicht erfüllt. Ein entsprechender Antrag zur Umbenennung des Neudierkower Wegs, der Straße, in der sich der Imbiss befand, in Mehmet-Turgut-Weg scheiterte 2012 am Veto eines Ortsbeirats. In der öffentlichen Debatte um die Umbenennung äußerten Gegner*innen teils offen rassistische Argumente. Seit 2012 gab es von Seiten der Stadtpolitik keine ernsthaften Bemühungen mehr für eine Straßenumbenennung.

 

Was ist geschehen

Diese Gedenkchronik thematisiert rechte, rassistische und antisemitische Gewalt, einschließlich spezifischer Vorfälle, Hintergründe und Folgen. Die Inhalte können belastende Beschreibungen von Gewalt, Diskriminierung und Leid enthalten.

Im folgenden ausklappbaren Abschnitt „Beschreibung der Tat“ werden konkrete Gewalttaten geschildert. Wir möchten Betroffene und Leser*innen daher darauf hinweisen, dass die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten retraumatisierend wirken kann. Bitte prüfen Sie vor dem Zugriff auf die Inhalte, ob Sie sich mental und emotional in der Lage fühlen, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und tun sie dies ggf. nicht allein.

Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 gegen zehn Uhr an seinem Arbeitsplatz, dem Imbiss »Mr. Kebab Grill« im Neudierkower Weg 2 in Rostock-Toitenwinkel erschossen. Die polizeilichen Ermittlungen konzentrierten sich zunächst auf das Umfeld der Opfer, was die Familie zusätzlich belastete und sekundär traumatisierte. Mehrmals reisten Ermittler*innen in das Heimatdorf von Mehmet Turgut und vernahmen dort Angehörige und Nachbar*innen der Familie Turgut. Die ohnehin schon kursierenden Gerüchte um den Tod von Mehmet Turgut nahmen zu, so dass sich die Familie gezwungen sah, den Ort zu verlassen und wegzuziehen. Erst sieben Jahre später wird endlich klar, dass Mehmet Turgut vom NSU ermordet wurde. Mehmets Bruder, Mustafa Turgut, schreibt dazu: „Jetzt ist die Zeit der Anschuldigungen und Gerüchte endlich vorbei. Endlich! Auch von meinen Eltern ist damit eine Last abgefallen. Nach all den Verdächtigungen hatten sie ja schon selbst das Gefühl, schuldig zu sein.“

Mehmet Turgut wurde nur 25 Jahre alt. Sein Leichnam wurde in seinem Heimatort beerdigt. Seine Mutter besuchte täglich sein Grab, bis die Familie das Dorf schließlich verlassen musste.