Sibel
İ.

20. Oktober 2021

Solingen

Leben des Opfers

Sibel İ. zog 1994 nach Solingen. Ihre drei Kinder K. İ. 1995), D. İ. (1996) und S. İ. (2003) kamen in Solingen auf die Welt. Erst im April 2021 zog Sibel İ. und ihre Kinder in die neue Wohnung nach Solingen-Mitte, wo am 20. Oktober 2021 ein Brandanschlag auf ihren Balkon verübt wurde.

Formen des Gedenkens

Sibel verzichtet bewusst auf eine öffentliche Gedenkveranstaltung in Solingen, da sie befürchtet, dadurch erneut angegriffen zu werden. Sie hat Sorge, dass ihren Kindern etwas zustoßen oder ein weiterer Brandanschlag auf ihr Zuhause verübt werden könnte. Trotz dieser Ängste engagiert sie sich aktiv im bundesweiten und NRW-weiten Solidaritätsnetzwerk für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Seit dem Brandanschlag pflegt sie Kontakt zur Familie Genç. Sie erinnert öffentlich an die Ereignisse in Reden, Podiumsdiskussionen und als Autorin und ist Teil der Initiative „29. Mai 1993 – Brandanschlag Solingen“.

Was ist geschehen

Diese Gedenkchronik thematisiert rechte, rassistische und antisemitische Gewalt, einschließlich spezifischer Vorfälle, Hintergründe und Folgen. Die Inhalte können belastende Beschreibungen von Gewalt, Diskriminierung und Leid enthalten.

Im folgenden ausklappbaren Abschnitt „Beschreibung der Tat“ werden konkrete Gewalttaten geschildert. Wir möchten Betroffene und Leser*innen daher darauf hinweisen, dass die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten retraumatisierend wirken kann. Bitte prüfen Sie vor dem Zugriff auf die Inhalte, ob Sie sich mental und emotional in der Lage fühlen, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und tun sie dies ggf. nicht allein.

Am 20. Oktober 2021 wurde der Balkon von Sibel İ. Ziel eines Brandanschlags mit einem Molotowcocktail. Dank Sibels Wachsamkeit gegen zwei Uhr nachts und ihrem schnellen Eingreifen konnte sie das Feuer gemeinsam mit ihren Kindern löschen. Am darauffolgenden Tag entdeckte man in der Nähe ihres Hauses eine Maske, beschmiert mit Hakenkreuzen und SS-Runen. Der Angriff war für ihre Tochter so traumatisch, dass sie Solingen verließ.

Ein 15-jähriger Verdächtiger, Maurice K., wurde zwei Tage später verhaftet. Sibel und ihr Anwalt erhielten jedoch aufgrund des Jugendschutzes keine Akteneinsicht und sie konnte nur als Zeugin vor Gericht aussagen. Bis heute weiß Sibel nicht, ob Maurice K. verurteilt wurde oder ob andere möglicherweise beteiligt waren.

Quellen

Sibel İ. (2023): »Erste Hilfe« für Betroffene nach rassistischer und extrem rechter Gewalt. In Birgül Demirtaş / Adelheid Schmitz / Derya Gür-Şeker / Çağrı Kahveci (Hg.).  Solingen, 30 Jahre nach dem Brandanschlag – Rassismus, extrem rechte Gewalt und die Narben einer vernachlässigten Aufarbeitung. transkript Verlag.

Sibel İ. (2024): Rede von Sibel İ. am 26. August 2023 anlässlich des Gedenkens der ermordeten Menschen 1984 in Duisburg. In Ali Şirin (Hg.). Erinnern heißt Kämpfen – Kein Schlussstrich unter unsere Stimmen. Unrast Verlag.